Die nachfolgenden Texte stammen aus: „Gartenbuch für Anfänger“ (1899) sowie „Praktische Gemüsegärtnerei“ (1907) und wurden im Ursprung vom Gartenmeister Johannes Böttner verfasst. Im Folgenden wurden die Texte zusammengeführt und für die bessere Leserlichkeit gelegentlich leicht angepasst. Allgemeiner Hinweis: Die in den Büchern übliche angenommene Breite für die Gemüsebeete ist 1,20 Meter. Dies ist hinsichtlich der Pflanzabstände zu beachten, denn bei allen hier beschriebenen Gemüsekulturen ist nur der Pflanzabstand zwischen den Pflanzen und kein Reihenabstand angegeben. Wenn also wie z.B. beim Weißkohl geschrieben steht: drei Reihen auf ein Beet, 55 cm Abstand, meint dies: 1,20 m / 3 Reihen = 40 cm, d.h. die Pflanzen erhalten einen Abstand von 55 cm x 40 cm.
Von den Gemüsen, deren Blattstiele genossen werden sollen, verlangen wir, dass sie sehr große, fleischige, zarte Stiele bilden. — Der beste Weg hierzu ist Boden erster Güte, reichlichste Düngung und Bewässerung. — Unter mittelmäßigen Verhältnissen werden auch die allerbesten Sorten nur dürftige Stiele bilden. Es lohnt sich also gar nicht mit der Kultur dieser anspruchsvollen Gemüse anzufangen, wenn ihnen nicht die allerbesten Verhältnisse zugewiesen werden können.
Bleichsellerie
Um dieses Gemüse anzubauen, muss das Land ganz eigenartig vorbereitet werden; auf gewöhnlichem Gartenland wird nicht viel daraus. Einem mir bekannten Engländer habe ich folgendes Verfahren abgesehen: Es wird im Herbst an sonnier Stelle des Gartens ein Graben ausgeworfen, 40 cm breit und ebenso tief. Auf die Sohle des Grabens kommt eine gute Lage Dünger und hierauf Komposterde; das Ganze wird mit Jauche übergossen und bleibt bis zum Frühjahr liegen. Sollte eine größere Kultur angelegt werden, so dass ein Graben (Reihe) nicht genügt, so darf die nächste Reihe nur in Abstand von 1 Meter von der ersten angelegt werden. Es muss somit zwischen den beiden Gräben 60 cm festes Erdreich liegen.
Aussaat 1. bis 5. März in das Mistbeet. Anzucht der Pflanzen wie bei Knollensellerie: Verstopfen in reine Misterde 15. bis 20. April. Aussetzen ins Freie 10. – 15. Mai. (Anm. d. Redaktion: Im Buch „Praktische Gemüsegärtnerei, 1907“ schreibt Böttner, dass die Pflanzen erst Anfang Juni in die vorbereitete Grube gesetzt werden). Diese Grube ist inzwischen durch die eingefüllte Erde und durch eingeschwemmte Erde von den Zwischenhügeln nur noch 20 cm tief. Es kommt jede einzelne Pflanze 35 bis 40 cm von der nächsten entfernt. Sind dann die Pflanzen festgewurzelt, so wird in die Grube recht oft reichlich Wasser gegossen, damit die Sellerie schnell wachsen. Wenn die Blätter über die Grube hervorragen, wird etwas Erde in die Grube geworfen. Später häufelt man immer mehr an, bis an die ersten Nebenblätter. Durch das Anhäufeln mit Erde werden die Stiele gebleicht. Wer die Kultur ganz musterhaft handhaben will, umwickelt die Stiele vor dem Anhäufeln mit sauberem Packpapier.
Im September, Oktober werden die Stiele geerntet und roh wie Rettich und Radies oder mit Essig und Öl als Salat genossen oder gekocht und mit Spargelsauce angerichtet. – Auf feuchtem Boden pflanzt man den Sellerie flach und bleicht ihn nach dem Ausheben im Keller. Die beste Bleichselleriesorte (besonders zum Rohessen), ist der „Weiße amerikanische“ (Hendersons White Plume). Die Stiele anderer Sorten sind häufig hart, nur zum Kochen zu gebrauchen. Knollensellerie ist für unsere Zwecke völlig ungeeignet.
Cardy
Die Cardy, Cardonen oder spanischen Artioschocken brauchen zuu ihrem Gedeihen einen tiefgründigen und gutgedüngten, womöglich rigolten Boden und freie, nicht zugige Lage. Aussaat 1. bis 5. Mai an Ort und Stelle. Bei früher Aussaat in das Mistbeet und nachherigem Verpflanzen schießen die Cardy leicht. Jede Pflanze gebraucht über 1 Quadratmeter Raum — also eine Reihe auf das Beet, und in der Reihe die Pflanzen 1 Meter Abstand (Anm. d. Redaktion: In „Praktische Gemüsegärtnerei, 1907“ spricht Bötter davon, 1,20 m Raum nach allen Seiten zu lassen). An jede Stelle für eine Pflanze kommen drei Korn Samen. Nur die beste der drei Pflanzen bleibt stehen, wenn sie alle drei aufgehen sollten. Stehen die Cardypflanzen zu eng, dann werden sie nicht kräftig genug und machen zu dünne Stiele. Der Boden muss sehr tiefgründig, am besten rigolt sein. Wer Platzt genug hat, pflanzt die Cardy ganz einzeln, z.B. auf ein gut vorbereitetes Rundbeet im Rasen, wo sie die wirkungsvollsten Zier- und Einzelpflanzen abgibt.
1. bis 5. September sind die Pflanzen so kräftig, dass die Stengel gebleicht werden können: Man umwickelt sie dicht mit Stroh und häufelt Erde an. Gebraucht werden die Stengel wie Spargel oder Blumenkohl von Oktober ab. Für den Winter lässt man die Stauden ungebleicht, hebt sie Anfang Oktober mit den Wurzeln aus und gräbt sie im Keller in Sand ein, wo die Stengel noch besser bleichen als im Freien. Beste Cardysorte: „Kardy von Tours“.
Die Zubereitung der Cardystiele geschieht wie bei Spargel; sie werden von Feinschmeckern selbst dem Spargel vorgezogen.
Mangold
Der Mangold ist mit der Runkel verwandt, macht aber viel dünnere, nicht so fleischige Wurzeln, dagegen dickere Blattstiele. Dieses Gemüse liebt einen sehr kräftigen, gut gedüngten Boden; überhaupt ist für eine Pflanze, von der die Stiele genossen werden sollen, eine ganz bestimmte Vorbereitung des Bodens erforderlich, denn nur in dem allerbesten Boden kann die Pflanze üppig wachsen und Stiele hervorbringen, die stark und gleichzeitig doch zart sind. Ich sah den Mangold nirgends wo so schön wie im Rhöngebirge. Der fruchtbare Verwitterungsboden ist es, welcher die Entwicklung so sehr begünstigt.
Aussaat am 15. bis 20. April, drei oder vier Reihen auf das Beet, die Samenknäule in den Reihen 5 cm weit; die Pflanzen müssen später „verzogen“ (d. i. ausgedünnt) werden. Die ausgezogenen Pflanzen kann man auf neue Beete pflanzen oder auch wie Spinat in der Küche verwerten. Als Spinatpflanze kann der Mangold dicht stehen; vier Reihen, in den Reihen 15 cm Abstand. Um schöne, starke Stiele zu haben, gibt man nur drei Reihen auf das Beet, in den Reihen 50 cm Abstand im Verband. Der Boden für Mangold soll zwei Spaten tief bearbeitet, gut gedüngt sein.
Als wertvollster Mangold ist die Sorte „Schweizer Silbermangold“ zu empfehlen. Benutzt werden vom Mangold nicht nur die Blattstiele, sondern auch die Blätter, welche man ebenso wie Spinat zubereitet, und welche auch ebenso schmackhaft sind wie Gartenspinat. Man kann sie den Sommer hindurch genießen, wenn es anderen Spinat nicht gibt. Das Hauptgemüse bilden allerdings die Blattstiele. Diese werden dicht am Boden abgeschnitten. Damit die Pflanzen nicht aufhören zu wachsen, sondern neue, kräftige Stiele nachtreiben, nimmt man einer Pflanze nie zu viele Blattstiele gleichzeitig, höchstens den vierten, besser nur den fünften Teil der Stielzahl. Hierauf muss die Pflanze Zeit haben, sich zu erholen und neue Stiele zu treiben, ehe man wieder erntet. Die Stiele werden von der Blattfläche befreit und abgezogen; hierauf kocht man sie in Salzwasser, lässt das Salzwasser ablaufen und übergießt die ganzen Stiele genau so wie Spargel oder Blumenkohl mit einer holländischen Sauce.
Rübstiel
Rübstiel oder Stengeln sind für die Bewohner des Niederrheins ein beliebtes Gemüse. Anderwärts kennt man sie fast nicht; man bekommt nicht einmal den Samen dieses Gemüses in den großen Samenhandlungen.
Die Rübstiele sind eine Abart unserer Weißen Rüben. Während bei den Weißen Rüben die Wurzeln sich besonders ausbilden, die dünnstieligen Blätter aber ziemlich flach auf dem Boden liegen, bleiben bei dem Rübstiel die Wurzeln klein und unbedeutend; die Blattstiele aber treiben aufrecht bis 1/2 Meter hoch und sind dickfleischig und zart.
Wer nicht die richtige Sorte hat, die meist nur am Niederrhein und in Holland zu finden ist, kann dieses Gemüse nicht anbauen. Das Klima lässt wohl überall die gute Entwicklung zu, es muss nur sehr zeitig gesät werden, damit die Luft noch feucht genug ist; zur Not wird öfter mit Spritzen nachgeholfen. Die Aussaat erfolgt also möglichst noch im März, breitwürfig, auf den Quadratmeter Beetfläche 2 Gramm Samen, gut verteilt. Der Boden sei frisch und fett, denn nur ein Boden, der üppigen Blattwuchs fördert, taugt für ein derartiges Gemüse. – Die Erntezeit für die Stiele ist im Monat Mai.
Über die Zubereitung gibt ein Rezept vom Niederrhein die folgende Anweisung: Die Stengel werden fein von den Blättern gesäubert, in halbzentimeterlange Stücke geschnitten, tüchtig gewaschen, in schwach gesalzenes, scharfsiedendes Wasser getan, schnell gargekocht, auf einen Durchschlag geschüttet und mit kaltem Wasser abgekühlt. Nachdem sie abgetropft sind, werden sie mit Milch und Butter angerichtet oder in fetter Rindfleischbrühe geschwenkt. Von anderer Seite erfuhr ich noch eine andere Bedeutung der gewöhnlichen Weißen Rüben als Gemüse: Es werden die ausgewaschenen Rüben im November ausgegraben, abgeblattet und im Keller in Sand eingeschlagen. Dort, am warmen, finsteren Ort, sprossen gelbe Stiele und Blätter aus; diese werden wie Salat zubereitet.
Spargelsalat
Dieses seltene Gemüse ist nahe verwandt mit dem gewöhnlichen Salat, wildwachsend in Südeuropa heimisch, mit schlane, dünnen Blättern und dickem, fleischigem, milchsaftreichem Stengel. Der Stengel ist der genießbare Teil; die Blätter lassen sich nicht verwenden.
Die Eigenart dieser Pflanze macht es nötig, Anbauversuche mit ihr nur unter den besten Verhältnissen anzustellen, denn es ist naheliegend, dass in geringerem Boden der Stengel zu langsam wächst, zu schnell hart wird. Es wird also beste Düngung und sehr reichliche Bewässerung gegeben; auch werden auuf das Beet nur drei Reihen mit 40 cm Abstand gepflanzt.
Die Küchenreife tritt ein, kurz bevor die Blütenknospen sich zeigen; mit Ausbildung dder Blüten wird der Stengel schnell hat. Die Zubereitung ist wie bei Spargel, Blumenkohl und dergleichen. Die Stengel werden geschält und gekocht. Von Feinschmeckern wird Spargelsalat gekocht, mit Essig und Öl zubereitet, gelobt. Das Gemüse ist aber für allgemeinen Gebrauch wenig ergiebig.
Wenn gewöhnlicher Kopfsalat in Samen schießt, so bilden sich wohl ähnliche, nur etwas kleinere, Stiele wie beim Spargelsalat, Sie werden hin und wieder in gleicher Weise verwendet.