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1888 - Der praktische Ratgeber Der Küchen- und Gemüsegarten

Freiland-Melonen anbauen

Heute ist es eine Wissenschaft, früher war der Anbau von Melonen im Freiland völlig gewöhnlich. Heinrich Freiherr von Schilling hat hierzu 1888 seine Anleitung verfasst und im Praktischen Ratgeber veröffentlicht. Er geht darin auch auf Punkte ein, die bei Melonen anders als bei gewöhnlichen Gartenkulturen sind. So soll man die Melonen nicht Abends, sondern am besten zur vormittags oder zur Mittagszeit gießen.

Die Melonenzucht im Freien.

Von: Freiherr von Schilling – Friedrichshafen am Bodensee. Erschienen im Praktischen Ratgeber, Mai 1888.

Die Melone ist und bleibt eine köstliche, wertvolle Frucht. Sie wird um so wertvoller sein, je mehr einesteils für sie als Desertfrucht oder feines Winterkompot im eigenen Haushalt Bedürfnis vorliegt, oder anderenteils naheliegende Städte, wo sie von feinen Hotels oder Fruchthandlungen gesucht ist, ihren Verkauf erleichtern. Dabei hält sie sich eine Reihe von Tagen und lässt sich unschwer versenden.

Obgleich die Melone durchaus kein Kind der Tropen ist – ihr Vaterland dürfte vielmehr im südlichen Asien gesucht werden – so verlangt sie doch zu ihrem frohen und nutzbringenden Gedeihen einen etwas geschützten Garten, sonnige Lage und sagen wir es nur gleich, einen ordentlichen Sommer. Auf die Bodenfrage ist weniger Rücksicht zu nehmen, da man das Erdreich, wenn es nur kein feuchtes ist, leicht verbessern kann.

Ich habe z.B. in hiesiger subalpiner Nähe, in äußerst mäßigem, ziemlich schwerem Boden herrliche Früchte erzielt, und da ich mich mehrere Jahre mit Versuchen der Melonenzucht, ausschließlich im Freien abgab, unter genauer Beobachtung des der Pflanze und ihrer Fruchtentfaltung Zuträglichen und Unzuträglichen, will ich hier kurz die Resultate meiner Erfahrungen auführen, die den einzigen Zweck haben sollen, die Freunde des Praktischen und besonders die freundlichen Leserinnen, die vor allem den Wert der kostbaren, schmelzenden Frucht auf der Deserttafel zu schätzen wissen, zu Versuche im eigenen Garten zu ermuntern.

Es ist also hier nicht von der künstlichen Melonenzucht unter Glas die Rede, sondern von einer solchen, die alle künstlichen Apparate als Hilfsmittel über Bord wirft und im Vertrauen auf das segensreiche Wirken der Natur selbst, solcher auch die Hauptmühen und Sorgen um ihre Pfleglinge überlässt und nur fördernd da eingreift, wo es die Existenzbedingungen und die Eigenart der Pflanze unbedingt verlangen.

Hat man also ein Stück Land, das den obenangegebenen Bedingungen entspricht, etwa ein gegen Süden gelegenes Gärtchen, so wähle man davon einen solchen Teil, der möglichst den ganzen Tag Sonne hat und bestimme für die Melonen zunächst nur ein Beet, das thunlichst in guter Nahrung stehend im Herbste gestürzt und im Frühjahre noch einmal leicht umgegraben wurde. Das selbe soll eine Breite von 120 cm besitzen und kann vorläufig mit Radieschen und Salat, aber in weiter Stellung ausgenutzt werden.

Man verschaffe sich nun vor allem guten Melonensamen, wie solcher in guten angesehenen Samenhandlungen zu haben ist und welchen letztere erst in Handel bringen, wenn er schon einige Jahre gelagert hat. Der Gärtner weiß warum; denn ältere Melonensamen, bis zu etwa sechs Jahren gelagert, bringt meist besseren Fruchtertrag. Was die Sorten betrifft, habe ich die Bemerkung gemacht, dass man die meisten Treibmelonen auch im freien Lande ziehen kann: Die gerippten Netzmelonen habe ich für die tauglichsten dazu befunden. Es gibt darunter mehrere Sorten ungarischer, herrliche, große Früchte, die rasch wachsen und reifen, leider aber ein etwas faseriges Fleisch haben. Die feinen französischen Cantaloupes gedeihen wohl auch, aber minder gut; die oft gerühmten amerikanischen und Klettermelonen, für das freie Land, fand ich als völlig unbrauchbar. Man verlange also ein kleines Sortiment von „gerippten Netzmelonen“; eine Portion genügt zum ersten Anbauversuch völlig. Von den erprobtesten Früchten entnimmt man sich dann für spätere Jahre selbst die Samen.

Grundsatz bei Melonenanbau im Freien: Man lege die Samen nicht vor 15. Mai, so verlockend auch vorher das Wetter sein mag. Man lege also die Samen an Ort und Stelle, wer es will, mag sie einige Tage vorher im Wasser aufquellen lassen: nötig ist es aber durchaus nicht; scheint nur die Sonne wenige Tage warm und hält einigermaßen gute Witterung an, so keimt der Samen im feuchtwarmen Boden rasch.

Vorerst aber muss das Beet bereitet werden. Ich warne die Gartenfreunde hier vor jeder Anwendung frischen Düngers dabei. Ich habe mit dem oft angepriesenen, frischen Pferdedünger schlechte Erfahrungen gemacht. Das einzige Richtige für Freilandmelonen ist und bleibt gut abgelagerter, richtig gewonnener Kompost. Am vorzuüglichsten hat sich solcher bei mir bewährt, wie er in meinem Kasten hergestellt und mit 1/10 sogen. Poudrette (Fäcalextrakt) gemischt wurde. Diese Poudrette, ein geruchloses, reinliches Pulver, das fabrikmäßig hergestellt im Handel zu beziehen ist (der Zentner kommt etwa auf 8 Mark) hat einen hohen pflanzlichen Nährwert. Bezugsquellen mögen die Fabriken selbst nennen.
Der so gemischte Kompost wird vor Gebrauch in einem etwa 1 cm maschigen Sieb durchgesiebt, nicht etwa um damit den Pflanzen die Ernährung erleichtern zu wollen, sondern um den späteren ungleichmäsigen Senken des Nährbodens, das dem feinen Wurzelgebilde schadet, möglichst vorzubeugen. Aus diesem Grunde muss der Kompost im Pflanzlich beim Einbringen auch noch mit Erde des Beetes vermischt werden. Diese Kompostarbeit ist erst kurz vor Fertigstellung des Beetes vorzunehmen. Ist der Kompost ein besonders nährstoffhaltiger, etwa öfter mit Kloake behandelt worden, so kann die Poudrette weggelassen werden.

Naht nun die Mitte des Maimonats heran und es ist günstiges Wetter, so muss das Beet sofort fertiggestellt und besäet werden. Dies geschieht folgendermaßen:
Man bezeichnet auf der Mittellinie des Beetes mit Stäbchen so viele Punkte, dass jedes Stäbchen von dem anderen etwa 150 cm entfernt ist und die Endstäbchen 75 cm vom Beetanfang resp. Ende abstehen. An diesen bezeichneten Punkten hebt man ein etwa 30 cm tiefes und 45 cm weites, rundes Loch aus. Dahinein kommt in jedes etwa ein kleiner Steinkorb voll Kompost, den man nach und nach mit der ausgehobenen Erde einbringt. Oben auf den kleinen flachen Haufen kommt der Rest der unvermischten Komposterde. Nun beginnt sofort das Legen der Samen. In einem Ring auf dem flachen Hügel steckt man 6 Melonenkerne, etwa 5 cm tief, ohne anzudrücken, die Spitze nach abwärts, wodurch man dem Keimling das zeitraubende, mühevolle Wenden erspart.

Sind nun die Samenlappen erschienen, so wartet man ab, bis sie ein mittleres Blättchen ansetzen wollen. Dann wählt man die drei kräftigsten, möglichst weit von einander stehenden Pflänzchen und zieht mit kaltem Blute die übrigen heraus, die man entfernt. Zerstört zu große Nässe, ein leichter Nachtfrost u. dgl. Wider alles Erwarten einige oder alle Keimlinge, so sät man sofort in derselben Weise nach.

Sobald das erste Blättchen entfaltet ist, greift man zu seinem kleinen Spaten und bringt um das Pflanzhäufchen, das nunmehr etwas eingefalleen ist, aber nicht näher an die Pflanze heran, als etwa 10 cm, ein Ringgräbchen, etwa 4 – 5 cm tief und eben so breit und legt die ausgehobene Erde als kleinen Wall außen an. In den Mittelpunkt steckt man ein etwa 50 cm hohes Stäbchen. Dieses Gräbchen mit Stab ist durchaus wichtig; es ist der spätere Gießgraben, der un bedingt nötig ist, will man den Pflanzen die Feuchtigkeit ohne Abschwemmen der Wurzelerde beibringen. Der Stab ist dabei der Wegweiser, da, wenn die Melone ihr dichtes Blätterdach einmal ausgebreitet hat, der Gartenfreund oder die liebenswürdiger Gärtnerin das Ringgräbchen des Melonenstockes mit dem Gießkannenrohre nur schwer wiederfinden würde und durch Danebengießen Unheil anrichten könnte.

Haben nun die jungen Pflänzchen etwa kleinfingerlange Schosse mit Blättern getrieben, so ist es Zeit die Spitzen derselben bis auf ddie beiden untersten Stengelblätter (nicht Keimblätter) mit dem Messer wegzunehmen. Frisch und freudig wachsen jetzt die Nebentriebe hervor. Diese werden wieder in gleicher Länge entspitzt, worauf dann bald reichliches Blühen und darauffolgender Fruchtansatz eintritt. Man entferne ja nicht die männlichen, sogenannten tauben Blüten; Lasse sie ganz unberührt, während man, sobald der Fruchtansatz am Stocke durch einige stark birnengroße Früchte gesichert scheint, nur zwei Haupttriebe und an jedem dieser nur je eine Frucht, also in Summa am Melonenstock nur zwei Früchte lässt. Alle übrigen weiblichen Blüten und angesetzte Früchte, so leid es unserem Herzen tut, müssen ohne Gnade und Barmherzigkeit unserer schändlichen Gewinnsucht zum Opfer fallen; ebenso von jetzt an alle neuen Triebe. Letzteres darf nie zu weit getrieben werden, wenn die Hauptranken nicht reichlich belaubt sind, denn die Arbeit der Wurzeln, die den mächtig schwellenden Früchten assimilierten Saft zuführen müssen, bedarf eine gehörige Anzahl gesunder Blätter.

Inzwischen begann, sobald das Ringgräbchen um die Melonenburg gezogen war, das Gießen, sofern der Boden sich in Fingertiefe nicht mehr feucht anfühlte. Die Melone verlangt jetzt Wasser, das ihr die Nährstoffe des Bodens lösen hilft und das sie mit ich nen aufnehmen muss. Man gieße nicht abends, auch nicht am frühen Morgen, sondern am Vormittag, oder wenn man keine Zeit dazu findet auch ruhig zur Mittagsstunde, selbst bei glühenden Sonnenstrahlen. „Oho! Welch fürchterliche Irrlehre!“ ruft da der strenge Praktiker – im Sonnenschein und gießen! Jawohl, Verehrtester, lassen Sie mich nur ausreden. Man darf die Melonen, will man Freude an ihnen erleben, nämlich nur mit warmen Wasser begießen und Wasser von  25 bis 30° R. ist ihnen eben ein wahrer Göttertrunk. Ist also das Wasser so warm – in dem Herdbassin der Küche findet es sich ja zum Mischen um diese Zeit immer und die freundliche Hausfrau tritt lächelnd zur Seite, wenn die grüne Gießkanne sich da öfter den werdenden Braten beschaut – so darf man dreist damit in der Soimmerglut gießen. Aber, wohlbetrachtet, nicht mit der Brause und nicht auf die Blätter – Blätter nehmen niemals Wasser von außen auf – sondern mit der möglichst halb durch ein Holzpflöckchen verstopften Röhre und nur in das Ringgräbchen, im Kreise herum, bis die Erde hinreichend ausgelaugt. Da ja die Blätter nur unter Licht und besonders bei Sonnenschein arbeiten (d.h. assimilieren), da die tausend zarten Wurzelpumpen unter dessen Einwirkung am flinkesten bei der Hand sind, ist solches Gießen  zum raschen, üppigen Wachstum zunächst der Pflanze und später der auszubildenden Früchte nach meiner Erfahrung – bei der kurzen Lebensperiode der Melone – geradezu Bedingung.

Mit Gießen muss indes sofort innegehalten werden, wenn die Pflanze die ersten Früchte ansetzt und bis zur starken Birnengröße ausbildet. Gießt man in dieser Zeit wie vorher, so gehen meist die jungen Früchte zu Grunde. Nur bei sehr großer Trockenheit darf in dieser Periode und zwar immer nur in kleiner Dosis oder besser mehrmals am Tage gegossen werden. Sobald jedoch die Früchte diese Krisis überschritten haben, kann wieder reichlicher gegossen werden.

Gewitter- und Schlagregen werden die Früchte stets beschmutzen und da auch derein grüne Schalen bei dem Ernährungsprozess mithelfen sollen, ist es klug, die beschmutzten Früchte, sobald sie trocken geworden, mit einem Pinsel vorsichtig abzustäuben. Sind deren Poren durch nahegelegener Schornsteine (bei Eisenbahn!) von Rußteilchen verstopft, empfiehlt es sich, sie mit einem Schwämmchen und lauem Wasser abzuwaschen. An den jungen Früchten jedoch, bevor sie Birngröße erreicht haben, soll nichts gemacht werden und man unterlasse auch das beliebte Abzupfen des noch anhängenden vertrockneten Blütenkelches. Das besorgt schon Mutter Natur allein. Auch lege man die Früchte erst nach dieser Zeit auf Ziegelstücke. – Da besonders rasch gewachsene, schöne Früchte gegen die Reifezeit hin durch den schroffen Temperaturwechsel in der Nacht und deren Tau leicht Sprünge bekommen, empfiehlt es sich, auf solche um diese Zeit des Nachts einen Napf zu stülpen.

Die Reife der Früchte ist nur und unfehlbar an dem sich einstellenden aromatischen Duft zu erkennen. Am zweiten Tage nach dessen Bemerken kann die Frucht geerntet werden, um noch zwei oder drei Tage auf trockener, luftiger Unterlage (Stroh) im Schatten nachzureifen. Ihr Geschmack ist da am köstlichsten.


Mit nicht geringem Ärger wird der Gartenfreund bei herannahender Reife, wenn er mit Stolz seine Morgeninspektion im Garten antritt, häufig plötzlich eine und die andere seiner Früchte, meistens gerade die schönsten, seine Augäpfel mit einem walnussgroßen Loch im Leibe treffen. „Die verdammten Mäuse“, am End gar der Iltis“, denkt er und schwört dieses und jenes. So dachte ich auch anfangs und stellte Fallen genug, in die aber meist nur Ameisen gingen. Aber es kam heraus: nicht die Mäuse und der Siebenschläfer waren es, sondern die große und vor allen die gemeine, nackte, rote Wegschmecken, die in feuchter Geborgenheit die sinkende Sonne abwartet und ihren Weg dann langsam, aber sicher zum schamlosen Nachtfraß ins Melonenbeet antritt. Wehe! Den armen Melonen, wo solche Gäste hausen. Die Früchte sind dann als Geschenke kaum mehr präsentabel und fast stets unverkäuflich. Man halte vor allem die Schnecken, auch die kleinsten, den Melonen fern. Es geschieht dies am leichtesten, wenn man am Abend vor eintretender Dämmerung die feuchten Verstecke der Beetumgebung absucht und die Schnecken tötet, aber auch frühmorgens öfter nach ihnen schauet. Wie es möglich ist, dass die weiche Schnecke die verhältnismäßig harte Melonenschale durchfrisst und in ihr Fleisch vordringt, erlaube ich mir vielleicht einmal später zu behandeln.

Was den Ertrag an Melonen betrifft, so kann derselbe in günstigen, warmen Sommern ein relativ sehr hoher werden. Ja, er ist vielleicht ein solcher, der auf kleinem Raum die darauf verwendeten sehr geringen Kosten und die nicht gerade b edeutende Mühe fast am reichlichsten lohnen dürfte. Ein Wink für Gärtner in günstigen Gegenden, die vor dem mühevollen Treiben dieser Früchte zurückschrecken. Auf einem 120 cm breiten, ca. 8 m langem Beete habe ich z.B. im vorigen Jahre, das dem Melonenanbau keineswegs günstig war – die jungen Pflänzchen gingen bald nach dem Keimen durch Kühle, feuchte Witterung zu Grunde und es musste noch einmal gesäet werden – in Summa 17.700 g Melonen geerntet, darunter Früchte feinster Sorte im Einzelgewicht von bis zu 3475 g. Trotzt häufigem sehr kühlem Wetter, Nebel und vielem Regen in der Reifezeit konnten doch schließlich die ersten Früchte am 28. August abgenommen werden (in guten Jahren weit früher) und dauerte der Ertrag bis zum 15. September. Außerdem wurden noch etwa 3000 g nicht völlig reife Früchte gewonnen, die sich aber besonders zum Einmachen eignen. Von 9,60 m² erhielt ich in Summa rund 20 kg brauchbare Melonen; das kg nur zu 1 Mark berechnet, repräsentiert dies in Geld einen Rohertrag von 20 Mark, oder per 1 m² Boden (Tischgrößé) rund 2 Mark!

Kurzum, ich wollte durch Vorstehendes die Aufmerksamkeit der Leser auf diese edle Frucht – ein wahres Stiefkind der deutschen Gärten – lenken. Der Gedanke würde mir ein angenehmer sein, sollte manche Melone in diesem Herbst mehr, im stolzen Aufbau, inmitten anderer köstlichen Gartenfrüchte Auge, Herz und Gaumen der Freund und Freundinnen unseres Praktischen erfreuen.

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