Das Jäten der Unkräuter
Von: Johannes Böttner, Chefredakteur des praktischen Ratgebers im Obst- und Gartenbau. Aus: Gartenbuch für Anfänger (1899).
Schon der eigenen Lockerung wegen wird Gartenboden so häufig behackt, dass kein Unkraut wachsen kann. Es sind also nur vernachlässigte Kulturen, in denen Unkräuter sich ausbreiten können. Am schlimmsten haben jene Gartenbesitzer am Unkraut zu leiden, die mit ihren Arbeiten nie zur rechten Zeit fertig werden. Das ist ja selbstverständlich, dass die Stelle, auf der eine Unkrautpflanze wächst, nicht von den Kulturpflanzen ausgenutzt wird und dass die Nahrung, welche die Unkrautpflanze verzehrt, den Kulturpflanzen entzogen wird. Da, wo also Unkraut sich einnistet, wird der Boden ausgesogen und der Ertrag geschmälert. Doch wir nehmen den Gartenbau zu ernst und werden allen Eifer daran setzen, um zu verhüten, dass in unserem Garten Unkräuter die Kulturpflanzen verdrängen können. Dass es einen hässlichen, wüsten Eindruck macht das Unkraut auf den Beeten und auf den Wegen, daran brauchen wir erst gar nicht zu denken.
Wir haben zu unterscheiden: einjährige Unkräuter und ausdauernde oder Wurzelunkräuter. Von einjährigen Unkräutern sind Melde, Vogelmiere und Brennnessel, unter den ausdauernden Quecke, Schachtelhalm und Distel die gefährlichsten und ziemlich allgemein verbreitet. Es gilt nun sowohl von den einjährigen, als auch von den Wurzelunkräutern der Grundsatz „kein Unkraut ist unausrottbar“. Es weicht sofort von selbst der besseren Kultur.
Beim einjährigen Unkraut, das sind also Unkrautpflanzen, die nur ein Jahr leben, kommt es darauf an, das Blühen zu verhüten, denn gleich nach dem Blühen ist auch der Samen reif, gelangt in den Boden und so vermehrt sich das Unkraut durch Selbstaussaat bis in das Unendliche. Je besser der Boden, desto üppiger wuchert das Zeug. Jätet oder hackt man nun, wie es ja eigentlich selbstverständlich ist, sämtliches Unkraut im Garten und in der nächsten Umgebung aus, noch bevor es blüht, so wird jedenfalls das Ausstreuen von Samen und später das Erscheinen neuer Unkrautpflanzen gewaltig verringert. Zwei oder drei Jahre vielleicht kommt der in der Tiefe ruhende Samen noch zur Oberfläche und geht auf, aber schließlich kann neuer Unkrautsamen nur durch den Dünger oder durch den Wind in den Garten gebracht werden. Das ist aber nicht so viel wie mancher zu seiner eigenen Entschuldigung sehr gern annehmen möchte. Der selbstgezüchtete Unkrautsamen liefert leider im Garten viel mehr Unkräuter.
Bei jungen Saaten geht gleichzeitig mit den gesäeten Sachen, zuweilen sogar noch früher, viel Unkraut auf. Der Anfänger ist da im Zweifel, was er ausziehen und was er stehen lassen soll, weil er die guten Pflanzen von den schlechten noch nicht unterscheiden kann. Das lernt sich aber schnell. Wenn man in fünf Blumentöpfe fünferlei verschiedene verschiedene Samen säet, und es zeigen sich dann die gleichen Pflanzen in sämtlichen fünf Töpfchen, so weiß man gleich, das müssen Unkräuter sein.
Wer etwas aufmerksam hinsieht und vergleicht, erkennt ein Unkraut nach dem andern und schließlich bleibt, wenn alle erkannten Unkräuter ausgezogen sind, nicht viel mehr übrig als die guten Pflanzen. Im Gemüsegarten säet der Anfänger meistens in Reihen. Dann erkennt er um so deutlicher die edlen Pflanzen und kann die Unkräuter sehr leicht dadurch beseitigen, dass er zwischen den Reihen einfach flach mit der Hacke durchzieht, d.h. nicht hackt, sondern nur oberflächlich abschürft.
Es kommt nur darauf an, den richtigen Zeitpunkt zu treffen und dieser Zeitpunkt ist immer so früh als möglich. Sobald man das Unkraut fassen kann, wird es ausgezogen und ausgehackt. Gerade in der ersten Zeit schadet es so ungeheuer. Haben die Kulturpflanzen erst einmal die Oberhand gewonnen, dann sorgen sie ganz von selbst dafür, dass kein Unkraut mehr aufkommen kann; sie ersticken es einfach.
Mit den ausdauernden Unkräutern hat man einen schwierigen Stand, weil die Wurzeln tief unten im Boden bleiben und immer wieder neu ausschlagen. Es scheint fast, als ob durch das Obenabhacken die Wurzeln nur gereizt würden, immer eifriger neue Triebe hervorbringen. Das ist aber nur scheinbar. Erfolgt das Abhacken sehr energisch und wird gründlich bis zum Herbst fortgesetzt, so werden die Wurzeln derartig geschwächt, dass sie im nächsten Jahre nicht wieder treiben. Ähnliches kann man ja bei der ausdauernden Gemüsepflanze, dem Spargel, beobachten. Werden im April, Mai und Juni sämtliche hervorkommenden Sprossen (Pfeifen) weggestochen, so treiben die Wurzeln aus eigener Kraft unverdrossen neue Sprossen. Setzt man aber das Wegstechen bis in den September fort, so wird der Spargel totgestochen.
Noch wirksamer in Bezug auf die Vernichtung ist allerdings das Ausreißen des Krautes in der Zeit des höchsten Wachstums, wie es z.B. bei Disteln sehr angebracht ist. Werden in vollster Entwicklung kurz vor der Blüte die Stengel erfasst und ausgerissen, nicht aber abgeschnitten, so erstickt die Wurzel in der Regel im eigenen Safte, weil sie in dieser Zeit nicht schnell genug neue Triebe, welche die Säfte der Wurzeln aufnehmen und verarbeiten, hervorbringen kann.
Im Übrigen wirkt auch bei ausdauernden Unkräutern am besten das Verfahren des Erstickens. Die Kulturpflanzen müssen dicht und üppig stehen, dann kann das Unkraut zwischen ihnen nicht aufkommen, es ist gar nicht möglich! Auch die Wurzeln der Dauerunkräuter gehen ein.
So beim Schachtelhalm. Diesem lästigen Unkraut, dessen Wurzeln mehrere Meter tief in den Boden eindringen, ist anscheinend schwer beizukommen. Er macht sich namentlich in feuchtem, etwas quelligem Boden sehr lästig. Nun wird aber jedermann schon bemerkt haben, dass dieser Schachtelhalm nur dort zu finden ist, wo Neuland in Kultur genommen worden ist oder verwahrlostes Ackerland. Man würde Mühe haben, in einem altbauten, guten Garten dieses Unkraut in größerer Anzahl zu finden, selbst wenn der Untergrund ihm günstig ist. Es ist einfach der Kultur gewichen, die guten Pflanzen haben es erstickt. Solche Pflanzen, die Unkraut ersticken, sind alle stark belaubten Gemüse, besonders Salat, Kohlarten, Rhabarber usw. Wenn man die Gemüse wechseln lässt mit dem Standort, immer etwas Anderes pflanzt, wie das ja überhaupt Vorschrift ist, so trägt das wesentlich mit dazu bei, dass mit der Zeit der ganze Garten frei von Unkraut wird. Ganz besonders günstig für die Reinigung des Gemüselandes ist es, wenn es mitten im Sommer abgeerntet wird und sofort von neuem umgegraben und bestellt werden kann. Alle ausdauernden Unkräuter können diese Störung in voller Entwicklungszeit nicht ertragen.
Beim Umgraben des Landes werden selbstverständlich sämtliche Unkrautwurzeln, so namentlich Quecken und Winden, sauber ausgelesen.
Ein sehr gutes Mittel, ein Stück Land, welches anderweit nicht gleich bebaut werden kann, klar und rein zu bekommen, so auch von Quecken und anderen lästigen Unkräutern, besteht darin, dass man es umgräbt, festtritt und regelrecht als Rasen mit billigem Raygrassamen besäet. Das Raygras wird rechtzeitig geschnitten und kurz gehalten. Selbst die schlimmsten Unkräuter schwinden durch das immerwährende Abschneiden und durch die Ausbreitung des Rasens. Quecken sind nach wenigen Wochen erstickt.
Es wird zuweilen gefragt, ob es denn kein chemisches Mittel gibt zur Unkräutervertilgung. Wer sich in den Gartenbaubetrieb nur ein wenig hineingefunden hat, wird eine derartige Frage einfach unverständlich finden. Die Unkräuter in den Wegen könnte man vielleicht durch ätzende Stoffe beseitigen, aber es besteht doch immer die Gefahr, dass diese ätzenden Stoffe in das Kulturland gelangen, und man kommt doch viel billiger und schneller zum Ziel, wenn man jeden Sonnabend oder alle 14 Tage die Wege leicht abschürft und harkt.
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